Schürzen nähen

Ein Beitrag von Susanne Gaßmann (Freie Waldorfschule Marburg)

Caroline von Heydebrand legte in ihrem Lehrplan einen besonderen Schwerpunkt auf das exakte Nähen. Wir übten dies an einer Schürze und gingen folgendermaßen vor:

Den Schnitt der Schürze fertigen die Kinder anhand eigener Körpermaße an. Wir setzten den Spann, die Daumenbreite und die Fingerbreite als Maße ein. Auf schon zugeschnittene Packpapierrechtecke übertrugen die Schüler ihre Maße. Die Arbeitsschritte, die chorisch erfolgten, konnten von den Schülern gut nachvollzogen werden. Es war eine durchweg freudige und schaffige Atmosphäre. Es wurden Handspannen und Daumenbreiten verglichen, alles ohne Wertigkeiten. Die Längen der Schürzen wurden von den Schülern individuell entschieden. Es hatte schon fast die Atmosphäre einer Maßschneiderei. Zum Ende dieser Einheit beschriftete jedes Kind seinen Schnitt. Sie waren stolz darauf, ihren eigenen entwickelt zu haben.
 


Im 2. Schritt konnten sich die Schülerinnen und Schüler entscheiden, ob sie eine Werkschürze (blau), eine Kochschürze (weiß) oder eine Gartenschürze (grün) schneidern wollten. Beim jetzt folgenden Aufstecken der Schnitte wurde ebenfalls chorisch gearbeitet. Das Einführen der unterschiedlichen Nadelarten bot sich an dieser Stelle an. Auch war der Moment gekommen, die entsprechenden Fachbegriffe einzuführen. Wenn teilweise die Kräfte nicht ausreichten, um das feste Papier auf den Baumwollstoff zu stecken (ich habe einen Baumwoll-Canvas in Leinwandbindung auch im Hinblick auf das freie Sticken der Taschen für die Schürze gewählt), war Unterstützung nötig. Das Abmessen von Naht- und Saumzugaben konnten die Schüler mit Hilfe ihrer Daumen, Finger und Schneiderkreide eigenständig bewerkstelligen. Beim Zuschnitt muss man abspüren, ob man die Schüler selbst schneiden lässt.
 


Im nächsten Schritt wurde das Daumenbügeln eingeführt und das Stecken mit den Stecknadeln geübt. Als alles rundherum gesteckt war, wurde mit dem Reihgarn der Heftstich genäht. An kleinen Stoffresten übten wir den Saumstich. Die geheftete Nahtzugabe wurde jetzt bis auf den Saum im passenden Garn genäht. Nach getaner Arbeit wurde der Hexenstich an dem vorhandenen Probeläppchen geübt. Kleine Nachbesserungen waren immer mal wieder nötig. Auch mussten Stiche getrennt werden, wenn sie auf der rechten Stoffseite sichtbar waren. Das schulte das exakte Nähen, denn die Kinder sahen ja selber, dass es nicht schön aussah, wenn auf der sichtbaren Seite der Schürze, die Stiche zu sehen waren. Das chorische Arbeiten war nun beendet.

Aufgrund der unterschiedlichen Fertigkeiten und Interessen konnten einige Kinder schon mit dem siebenfädigen Flechten beginnen. Das ist eine sinnhafte Tätigkeit, da das Kreuzen im Mittelpunkt steht. In dieser Phase war es von Vorteil, dass einige Kinder noch mit dem Nähen beschäftigt waren und ich in Kleingruppen das Flechten üben konnte. Später konnten dann die Kinder, die das Flechten verinnerlicht hatten, ihren Mitschülern Hilfestellung geben. Das kam der Gruppendynamik zugute und entlastete mich, da es nicht zu viel Leerlauf für einzelne Schüler gab.

 


Als die ersten Schüler mit dem Besticken der Tasche beginnen konnten, führte ich für alle die Stickstiche ein. Danach entwickelten die Kinder einen einfachen Papierschnitt für die Tasche und konnten sich eigenen Entwürfen widmen. Durch einfache Fragen, wo unten und oben ist, wo könnte der Schwerpunkt der Stickerei liegen, entschieden die Schüler sich für einen ihrer Entwürfe. Die fertig bestickte Tasche wurde rechts auf rechts mit Rückstich zusammengenäht. Das warf einige Fragen auf, weil ja die „unschöne“ Seite oben auf lag.

Das „Wunder“ des Verstürzens konnten die Kinder erst nach vollbrachter Tat nachvollziehen. Umso schöner war der Moment als die Tasche dann sauber und ordentlich umgestülpt war. Für das Annähen der Tasche auf die Schürze wendeten die Schüler wiederum den Saumstich an. Ich legte aufgrund der Haltbarkeit einer Tasche, in die man greift, Wert darauf, dass der Saumstich sehr eng gestochen wurde.

Es sind wunderbare, individuell gestaltete Schürzen entstanden. 

Abschließend kann ich sagen, dass es eine Bereicherung war, die Schürzen in den Lehrplan der 4. Klasse an unserer Schule aufzunehmen und den Kreuzstich erst zum Ende des 4. Schuljahres einzuführen. Ein großer Teil der Schüler wird die Kreuzstichtasche erst im 5. Schuljahr fertig stellen. Aber das passt, denn für das Strümpfe-Stricken ist genügend Raum, da wir das ganze Schuljahr über 2 Std. Handarbeit unterrichten dürfen. Ich hoffe, dass mein Bericht eine Anregung sein kann.

Mein Dank gilt ganz besonders Fr. Siegler und Fr. Bögli-Röschke, die mir viel Wissen und Mut in den Seminaren mitgegeben haben.