MOTOREN-AG

oder: Wie Opas Moped wieder fahren lernte

Ein Beitrag aus der Freien Waldorfschule Gladbeck von J. Magdanz.

„Als ich mein Moped bekommen habe, wusste ich noch nicht mal wie es angeht“, erinnert sich Oberstufenschüler Nils Chmielewski. „Jetzt kann ich es komplett auseinanderschrauben und wieder zusammensetzen“, grinst er selbstbewusst. Die Freude darüber, dass sein Moped auch nach einer solchen Prozedur wieder zuverlässig fahren würde, ist dem Elftklässler anzusehen. Er ist mit zehn anderen zusammen Teilnehmer in der Motoren-AG an der Freien Waldorfschule Gladbeck. Hier treffen sich Technikaffine, Neugierige und fanatische Tüftler aus den Klassen 9 bis 12 regelmäßig an Freitagnachmittagen und Samstagvormittagen zum beaufsichtigten Schrauben. 36 Zeitstunden werden pro Schuljahr angeboten. Lehrer Arno Bretschneider mache aber auch gerne mal eine Stunde länger, meinen die Schüler anerkennend. „Sie würden am liebsten viel mehr Zeit damit verbringen und hätten das Schrauben gern als Unterrichtsfach“, fasst ihr Lehrer die Begeisterung seiner Schüler zusammen. Der Motorkurs läuft seit acht Jahren als AG an der Waldorfschule und wird unterstützt vom zdi-Zentrum I + I = Z.Gladbeck. Die Organisation will das Interesse Gladbecker Schülerinnen und Schüler für die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik fördern, die sogenannten MINT-Fächer. Träger des zdi-Zentrums ist der Verein zur Förderung der Gladbecker Wirtschaft e.V., zdi steht für Zukunft durch Innovation. Unterstützt wird Waldorflehrer Bretschneider von zdi-Seniorexperte Klaus Amberge, einem ehemaligen Werkstattleiter der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft Mülheim. Der 73-Jährige gibt sein Wissen über den sachgerechten Umgang mit Werkzeugen, Betriebsstoffen und Bauteilen gerne weiter, wenn in der Metallwerkstatt der Waldorfschule zerlegt, geschmiert und Zündkerzen überprüft werden. Im Schulalltag wird hier geschmiedet und Kupfer bearbeitet. Viele Regeln für sicheres Arbeiten in der Werkstatt kennen die Waldorfschüler daher schon. Trotzdem legen Amberge und Bretschneider großen Wert auch auf eine theoretische Einführung in Sicherheitsfragen und das richtige Verhalten rund um die komplexen Objekte: Verbrennungsmotoren und zweirädrige Kraftfahrzeuge.

Mathe- und Physiklehrer Bretschneider hat die Unterrichtsgegenstände für das Lieblingsfach seiner Schützlinge teilweise selbst besorgt: Drei Motorräder und ein Moped stellt er seinen Schülern zur Verfügung, an denen ruhig auch etwas kaputtgehen darf. Ansonsten bringen die Teilnehmer ihre Mofas, Motorräder und einen Roller selbst mit. Der Roller wurde einst vom Großvater gefahren und stand lange ungenutzt in der Garage. „Jetzt ist er soweit durchgecheckt, dass er wieder fährt“, berichtet Lehrer Bretschneider. Ganz zu Anfang wurde in der Motoren-AG alles auseinander genommen, was eine Maschine hat. Da war auch mal ein Rasenmäher dabei. Mit der Zeit hat sich aber herausgestellt, dass es vor allem die Mofas und Motorräder sind, die zum Alltag der Jugendlichen am besten passen. Und so meldeten sich in diesem Schuljahr auch prompt mehr Interessenten zur Motor-AG als es Plätze gab. Der Kurs hat unter anderen den Schwerpunkt Verkehrssicherheit. Gemeinsam mit den jungen Teilnehmern hat Arno Bretschneider anhand der Prüfvorschriften für die Verkehrssicherheit eine Checkliste erstellt. Die Jugendlichen arbeiten sie Punkt für Punkt an jedem Gefährt ab – bis sie dann mit ihrem motorisierten Untersatz zum Prüfingenieur fahren können, der schließlich die Straßentauglichkeit bescheinigt. Ein Schwerpunkt sind alte Motorräder, die noch ohne elektronische Zündung funktionieren. Einige davon sind nach abgeschlossener Arbeit zum TÜV gebracht worden, der neue Papiere oder Prüfbescheinigungen erstellt hat.

Einige Schüler haben sich in den vergangenen Jahren schon zu Spezialisten für Verkabelung und Verdrahtung entwickelt und schließen routiniert Scheinwerferlampen an. Andere sind Experten für die mechanischen Bestandteile. Christoph Pelz aus der 12. Klasse hat sein Moped zunächst in Kisten in den Kurs geschleppt. Später konnte er tatsächlich auf dem Sattel sitzend damit aus der Werkstatt nach Hause fahren. Aus diesem Erfolgserlebnis ist mehr geworden. Derzeit restauriert er als Zwölftklassarbeit einen alten Traktor. Bei ihm werden diese Erfahrungen definitiv in einen technischen Studiengang münden, das weiß er jetzt schon. „Mädchen haben oft eine Vorliebe für Chrom und Lack“, spricht Arno Bretschneider aus Erfahrung. Aber im vergangenen Schuljahr hatte sich eine Schülerin im Kurs das Thema Vergaser herausgepickt. Jetzt ist Davina Walterschen mit der alten Vespa vom Opa dabei. „Wir sind inzwischen schon drauf gefahren“, strahlt sie. Ihre Freundin Sophia ist auch froh, mittlerweile zu wissen, was ein Drehmomentschlüssel ist und nicht mehr hilflos dastehen zu müssen, wenn das Mofa mal nicht anspringt. „Ich würde erst mal die Zündkerzen rausnehmen und checken, und gucken, ob irgendwo Benzin austritt“, zählt sie auf. Der selbstverständliche Umgang mit Werkzeug und die gesammelten Erfahrungen – das nehmen die Schülerinnen und Schüler als Wissensschatz aus dem Kurs mit. „Irgendeiner macht immer einen Fehler“, stellt Schüler Pelz unverdrossen klar. „Wenn man nach dem Sandstrahlen drei Tage Piepen im Ohr hat, dann lernen auch alle anderen daraus“, konstatiert er fröhlich. Sein Klassenkamerad Henning Reetz ergänzt mit einem seiner Erlebnisse: „Wenn einem eine passende alte Schraube abbricht, weiß man nach der folgenden Fummelei: Das wird mir so schnell nicht wieder passieren.“