Im Yoga übt man das Sich-Versenken

Rudolf Steiner, GA 95, 11. Vortrag

„Einige gotterfüllte Sendboten des Manu, die heiligen Rishis genannt, wurden die Lehrer der uralten indischen Kultur, von der keine Dichtung, keine Tradition erzählt, die nur noch in den mündlichen Überlieferungen der Geheimschulen bekannt ist. Wunderbare Dich­tungen, wie die Veden und Bhagavad Gita, sind viel später entstan­den.

Der alte Inder sagte sich: Das, was uns geblieben ist als äußere Natur, ist nicht die wahre Natur; hinter dieser Natur verbirgt sich die Gottheit. - Und das, was sich hinter der Natur verbirgt, das nannte er Brahman, den verborgenen Gott. Die ganze äußere Welt war für ihn nur Illusion, Täuschung, Maja. Und während der Atlantier noch in jedem Blatt die Gottheit spürte, sagte der Inder: Nir­gends mehr in der Außenwelt zeigt sich die Gottheit. In das Innere muss man sich versenken. Man muss die Gottheit suchen im eigenen Herzen, man muss ihr nachgehen in einem höheren, geistigen Zu­stand. - Etwas Traumartiges hatte alles sich nähern der Gottheit beibehalten. In der Natur fand der Inder keine Gottheit; in großen und machtvollen Gedankenbildern, in Visionen und Imaginationen ging ihm die Welt des Brahman auf. Yoga war die Schulung, die er durchmachte, um jenseits der Illusion zum Geiste, zum Ursein zu kommen. Die tiefsinnigen Veden, die Bhagavad Gita, dieses Hohe­lied von der menschlichen Vollkommenheit, sind nur Nachklänge jener uralten Gottesweisheit.

Das war die erste Stufe, auf der die Menschheit zurückkommen wollte zur Gottheit; es ist eine Stufe, die es in der äußeren Kultur nicht besonders hoch bringen konnte. Denn von allem Äußeren hat sich der Inder abgewandt; nur in einem weitabgewandten Aufgehen im Geiste hat er das höhere Leben gesucht."

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