Die Stände und ihre gesellschaftliche Ordnung

Der Finanzminister Turgot entwickelte ein Reformprogramm zur Gesundung der Staatsfinanzen. Darin sollten u.a. die unentgeltlichen Frondienste der Bauern für den Straßenbau in eine von allen Besitzenden zu entrichtende Steuer umgewandeln werden. Anfänglich war der König seiner Meinung - er ließ Turgot jedoch fallen, als das Pariser Parlament 1776 Ein­spruch dagegen erhob:

„Alle sind verpflichtet, zu den Bedürfnis­sen des Staates beizutragen. Aber gerade in diesen Beiträgen erkennt man immer wieder die Ordnung und die allgemeine Harmonie. Der besondere Dienst der Geistlichkeit besteht darin, alle Aufgaben zu erfüllen, die sich auf den Unterricht und den Gottesdienst beziehen, und zur Tröstung der Unglücklichen durch ihre Almosen beizutragen. Der Adlige weiht sein Blut der Verteidigung des Staates und hilft dem Herrscher mit seinen Ratschlä­gen. Die letzte Klasse des Volkes, die dem Staat nicht so hervorragende Dienste er­weisen kann, leistet ihren Beitrag durch die Abgaben, durch Arbeitsamkeit und durch körperliche Dienste. ...

Dadurch dass die Verordnung die unterste Klasse der Bürger von den Frondiensten befreit, denen sie bisher unterworfen wa­ren, überträgt sie diese Last auf die beiden anderen Stände des Staates, die dazu nie verpflichtet waren. Es gibt keinen Unter­schied mehr zwischen allen Ihren Unterta­nen; der Adlige und der Geistliche werden zu Frondiensten verpflichtet, oder - was auf dasselbe hinauskommt - sie werden zur Zahlung der Steuer verpflichtet, die an die Stelle des Frondienstes treten soll. Hierbei handelt es sich keineswegs um einen Kampf der Reichen gegen die Ar­men ...

Es ist das eine politische Frage und zwar eine der wichtigsten, da es darum geht, klarzustellen, ob alle Ihre Untertanen mit­einander vermischt werden können und sollen, ob man aufhören muss, anzuerken­nen, dass es unter ihnen verschiedene Lebensbedingungen, Abstufungen, verbrief­te Rechte und Vorrechte gibt."

(Quelle: Remontrances du Parlement de Paris au XVIII siecle, Paris 1898, S. 287-290).

 

Mögliche Fragen zum Text:

a) Welche Aufgaben haben die einzelnen Stände der bestehenden Ordnung nach zu
    erfüllen?

b) Aus dem Text geht hervor, für wie wichtig man die einzelnen Aufgaben hält.
    Beschreibe dies.

c) Worin besteht die größte Befürchtung des Parlaments?

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