Irrtum: Wer viel liest, hat eine gute Rechtschreibung
Ein Beitrag von Hans-Dieter Köhler
Oft denkt man, dass es der Rechtschreibung hilft, wenn man viel und gut liest. Zwar fallen nicht selten beide Befähigungen zusammen, aber sie haben eigentlich wenig miteinander zu tun. Folgendes einfaches Experiment mag verdeutlichen, inwiefern die Bedeutungsebene eines Satzes ganz verschieden ist von den einzelnen orthographischen Wortbildern. Dieses Experiment lässt sich auch wunderbar bei einem Elternabend zu einem Rechtschreibthema einflechten.
Das Experiment
Beantworten Sie folgende Fragen, ohne auf Ihre Uhr zu schauen:
- Welche Farbe hat das Ziffernblatt?
- Gibt es Zahlen auf dem Ziffernblatt? Wenn ja, wie sehen sie aus? Sind alle 12 Zahlen notiert oder nur die 3, 6, 9 und 12?
- Hat Ihre Uhr einen Sekundenzeiger? Wie sehen Stunden- und Minutenzeiger genau aus?
- Gibt es sonst noch eine Schrift oder ein Zeichen auf dem Ziffernblatt?
Sollten Sie eine Digitaluhr haben, könnte man die Fragen entsprechend modifizieren.
Sie werden feststellen, dass ein Teil der Fragen für Sie beantwortbar war, wahrscheinlich aber längst nicht alle. Sie sehen täglich mehrfach auf Ihre Uhr, entnehmen ihr die Information der Uhrzeit (Bedeutungsebene), Sie nehmen in aller Regel aber nicht bewusst ihr Erscheinungsbild im Detail war. So ist es auch mit den Wörtern in einem Buch. Sie achten auf den Sinn, nicht aber auf die Orthographie - und das in einem erstaunlichen Maß.
Sollten Sie Harry Potter gelesen haben, so begegnen Ihnen dort ungewöhnliche Namen, die Sie dort immer wieder lasen. Könnten Sie die folgenden Wörter im Diktat richtig schreiben? Ihre Augen sind ihnen oftmals begegnet:
Hogwarts, Gryffindor, Weasley, Quidditchteam, Dumbledore, Voldemort, Draco Malfoy.
Es muss Bewusstsein bzw. Achtsamkeit in die Rechtschreibung oder der große Nutzen von Wortdiktaten!
Rechtschreibung lernen Sie in erster Linie, wenn Sie das Regelwerk anwenden können und sich bewusst mit dem Wortbild beschäftigen. Daher bin ich dazu übergegangen nur selten längere Diktate schreiben zu lassen. Oftmals aber diktiere ich stattdessen Wortdiktate bestehend aus nur ca. 10 Wörten. Ich wähle dazu die Worte so, dass sie die zuletzt behandelten Rechtschreibregeln enthalten. Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen, auf welche Regel das Wort anspielt und den entsprechenden Laut unterstreichen.
Beispiel:
Laub, Strauß, Stamm, endlich, Gras, Gemeinsamkeit, Widerstand, Verließ ....
Ein Kind schreibt verdeckt an der Tafel, anschließend vergleichen wir gemeinsam unter Nennung der Regeln. Falsch geschriebene Wörter berichtigt man schnell durch dreimaliges Schreiben. Ich mache die Schülerinnen und Schüler darauf aufmerksam, bewusst auf das Wortbild zu achten.
Vorteil
Diese Form des Wortdiktates hat den Vorteil, dass man ständig in verdichteter Art die Regeln wiederholt, es insgesamt nicht viel Zeit kostet und man es daher regelmäßig machen kann. Die Schülerinnen und Schüler machen oft nur wenige Fehler und fühlen sich dadurch bestätigt.
Die gewonnene Achtsamkeit bezüglich der Rechtschreibthemen kann man so immer mehr auch in normalen Diktaten leisten.