Wetter und Klima

Von Wolfgang Aretz

Das Wetter tritt mit größerer Entschiedenheit auf. Lässt einen nicht im Zweifel darüber, woran man ist - wie in Europa sehr oft: Wenn Regen, dann wie aus Kannen. Scheint die Sonne, dann brennen die Strahlen.  Gibt es Nachtfrost in Nordindien, friert man wie sonst nirgendwo, weil man tagsüber von den sommerlichen Temperaturen verwöhnt ist. Die Ärmsten der Armen, die Obdachlosen und Hungernden leiden unter diesen Schwankungen; sie werden im Sommer von den Hitzewellen, im Winter vom Frost dahingerafft.  Die schönsten Monate liegen zwischen der Regenzeit und der Dürrezeit - ein heiteres Klima, das sich allenfalls mit dem Griechenlands vergleichen lässt. Wer warm gekleidet ist, findet auch in Nordindien an einem Wintermorgen Gefallen, wenn im zarten Dunst die Sonne emporsteigt und die Eiseskälte vertreibt: Gefühl des raschen Sieges der Sonne über die Kälte. Die Sonne ist immer siegesgewiss, kein Zwielicht duldet sie, schneller Auf- und Untergang wie die sicheren Entschlüsse eines mächtigen Herrschers - entsprechend wird die Sonne seit Urzeiten verehrt.

Von unberechenbarer Willkür und weniger bestimmt ist der Monsun, der Wind, der Indien alljährlich den Regen bringt, von dem das Leben abhängt. Der Monsun ist maßlos und ungerecht: Er ertränkt manche Landstriche in riesigen Fluten, während er andere einer unerträglichen Dürre überlässt. Nur im Allgemeinen verläuft sein Weg regelmäßig. Ende Mai erreicht er Westindien, greift in den nächsten 2 Monaten nach Nordindien über und umschlingt zugleich die Halbinsel, um vom Südosten ebenfalls nach Norden vorzudringen. Von dort bringt er Regen ins Landesinnere, weil es im Osten kein Gebirge gibt, das sich ihm wie die Steilküste im Westen entgegenstellen könnte. Die Macht des Monsuns ist schon im August an der Westküste gebrochen, und mit kleineren Nachspielen findet der Südwestmonsun sein Ende.

In Nordindien regnet es nachts sehr selten, so dass in dieser schwülen, heißen Zeit der Aufenthalt in den Häusern unerträglich ist. Gerne schläft man in einem Feldbett auf dem Dach. Das tut auch jeder und wer kein Dach hat, stellt sein Bett vors Haus. Nachts kann es dann auf dem Weg durch eine Stadt aussehen, als würde man durch einen endlosen Schlafsaal gehen. Wenn man des nachts dann das Glück hat, in einem Bett auf dem Dach eines Hauses zu sein, kann man den Blick zum klaren Sternenhimmel heben und wenn man dann im leichten Sommerschlaf immer wieder aufwacht, bemerkt man, wie sich die Milchstraße wie ein riesengroßer Uhrzeiger über einem dreht. 

Allerdings bricht der Tag nahezu ohne Dämmerung herauf und weckt die Schläfer mit einem unbarmherzig grellen Licht und die Fliegen, die sich über Nacht auch ausgeruht haben, stürzen sich auch denjenigen, der sich nicht aufs Frühaufstehen verlegen will und krabbeln ihm mit Vorliebe auf dem Mund herum. Das treibt schließlich den ärgsten Langschläfer aus dem Bett. Heutzutage kann man sich vor den Attacken mit einem Moskitonetz schützen, aber das klimatisierte Schlafzimmer wie eine Gruft und wer die himmlische Freiheit des Daches gewöhnt ist, kehrt erst in den kälteren Monaten des Jahres in den Schutz des Hauses zurück und vermisst dann allerdings den Glanz der Sterne in den Minuten, bevor man die Augen schließt.