Der europäische Aal

Lebenslauf der Aale

Aale schlüpfen im Atlantik, in der Sargassosee (in der Nähe der Bahamas). Wegen ihrer Form heißen die Aallarven Weidenblattlarven (Leptocephalus-Larve). Etwa drei Jahre brauchen diese Larven, um von der Sargassosee an die europäischen Küsten zu gelangen. Während man früher annahm, dass sie sich dabei passiv vom Golfstrom tragen lassen, weiß man heute, dass die Larven aktiv schwimmen.

Wenn die Weidenblattlarven in den europäischen Küstengewässern ankommen, wandeln sie sich zu den ca. 7 cm langen Glasaalen. Im Frühjahr schwimmen sie in zum Teil großen Schwärmen von den europäischen Küsten flussaufwärts in die Binnengewässer des Landesinneren. Während dieser Zeit heißen sie „Steigaale", wegen ihrer gelblichen Bauchfärbung auch „Gelbaale". In ihren Heimatgewässern wachsen sie die nächsten Jahre zur vollen Größe heran. Weibliche Tiere werden mit 12 bis 15 Jahren geschlechtsreif, männliche bereits in einem Alter von sechs bis neun Jahren. Zum Ablaichen wandern die Tiere im September/Oktober aus den Gewässern des Landesinneren über die Flüsse dahin zurück, wo sie geschlüpft waren: in die Sargassosee. Dabei werden innerhalb eines Jahres teilweise Strecken von über 5000 Kilometern ohne Nahrungsaufnahme gegen den Golfstrom zurückgelegt.

Während der letzten Zeit in den Binnengewässern und auf dem Weg zurück zum Meer verändern sich die Körpermerkmale der Tiere: Ihre ursprüngliche Färbung wechselt von grün-braun zu silbrig-grau, der After zieht sich ein und die Augen vergrößern sich - der Aal wird zum „Blankaal". Dieser Umwandlungsprozess dauert ca. vier Wochen. In dieser Zeit wird die Nahrungsaufnahme immer weiter eingeschränkt und schließlich ganz eingestellt, denn der Verdauungstrakt bildet sich komplett zurück. Stattdessen entwickeln sich die Geschlechtsorgane, die später die gesamte Leibeshöhle einnehmen. Die Energie für den „Umbau" des Körpers und für die lange Reise zum Laichort entnehmen die Aale ausschließlich ihren Fettreserven, die sie sich im Laufe der Jahre angefressen haben. Das Fettreservoir wird in den Eingeweiden und unter der Haut gebildet: Aale gehören zu den so genannten „Fettfischen", denn ihre Körpermasse kann bis zu 30 % aus Fett bestehen. Das Umfärben ist vermutlich eine Anpassung an die Gegebenheiten des offenen Meeres - dort ist ein silbrig-glänzender Unterbauch weniger auffällig als ein gelber. Auch die vergrößerten Augen der Tiere könnten eine weitere Anpassung an die Gegebenheiten des Meeres sein.

In der Sargassosee laichen die Tiere ab und sterben.

Aale sind in der Lage, beachtliche Strecken über feuchtes Land zurückzulegen, denn sie können den lebensnotwendigen Sauerstoff über die Haut aufnehmen.

 

Lebensweise

Aale sind insbesondere in der Dämmerung und in der Nacht aktiv. Sie ernähren sich vorwiegend von Würmern, (Klein-)Krebsen, Insektenlarven etc., aber auch von Fischlaich und Fischen. Kleinfische werden aktiv im Mittelwasser und an der Wasseroberfläche gejagt. Dabei entpuppt sich der Aal als geschickter Jäger.

Der Europäische Aal kommt in unseren Gewässern in zwei Ernährungsvarianten vor: Variante 1 ist der Spitzkopfaal, mit schmalem Kopf und spitz zulaufender Schnauze, der sich vorwiegend von Krebsen etc. ernährt. Variante 2 ist der Breitkopfaal, mit breitem Kopf und breiter Schnauze, ein Fischjäger.

Beide Formen existieren auch nebeneinander in den gleichen Gewässern, wobei die prozentuale Verteilung auf die beiden Formen ausschließlich von dem vorherrschenden Nahrungsangebot abhängt. So wird man in Gewässern mit einem übermäßigen Bestand an kleinen Fischen und einem geringen Bestand an Krebsen bis zu 90 % Breitmaulaale im Verhältnis zu Spitzmaulaalen finden und umgekehrt.

 

Die große Reise

Aale sind, wie angedeutet, katadrome Wanderfische, was bedeutet, dass sie zum Laichen vom Süßwasser ins Meer ziehen. Die Reise in die Sargassosee dauert ein bis anderthalb Jahre, und sie beginnt in den Wohngewässern der Aale. Zwischen Oktober und November, bei mildem Wetter auch noch im Dezember, werden die Aale unruhig und ziehen los. Die Zugzeit liegt in den Abend- und Nachtstunden. Vor allem bei sehr schlechtem Wetter, wenn es stürmt und regnet, scheint sich die „Reiselust" der Aale zu erhöhen. Anfangs ziehen sie noch sehr aktiv, schlängeln sich aus den kleinsten Gräben in größere Bäche oder auch aus stehenden, abgeschlossenen Gewässern durch feuchtes Gras in den nächsten Bach oder Fluss. In den großen Strömen wie Rhein, Weser, Ems, Elbe und Oder aber lassen sie sich dann energiesparend weitgehend von der Strömung treiben. Dabei schweben sie, S-förmig gekrümmt, im Mittelwasser. In der Mündung angekommen, schwimmen sie wieder aktiv und gehen sofort auf Tiefe. Während ihrer Wanderung im Meer führen die Blankaale tagesperiodische Vertikalwanderungen aus, d. h. tagsüber schwimmen sie in Tiefen bis zu 600 m und steigen nächtens fast bis an die Wasseroberfläche. Im folgenden Jahr treffen sie dann in der Sargassosee ein, wo sie vermutlich in Tiefen bis zu 2000 m laichen. Dieser letzte Lebensakt raubt ihnen dann auch die allerletzten Energiereserven - nach der Paarung und Abgabe der Geschlechtsprodukte sterben sie.