Äthiopien-Solar-Projekt

Ein Beitrag von Wolfgang Debus (Freie Waldorfschule Wendelstein)

Zeit- und menschengemäße Entwicklungsarbeit in Hossaina

Kurzbericht der Projektreise vom 24. Februar bis 10. März 2017:

Eine Reise nach Äthiopien bedeutet: Eintauchen in eine völlig andere Welt. In eine Welt und Kultur, die nicht nur in Kilometern gefasst weit entfernt ist von den sauberen Verhältnissen in Europa, fern von glatten und relativ geregelten Straßensituationen, fern von einer sicheren Strom- und ausreichenden Wasserversorgung, fern von Wohlstand, fern von Erreichbarkeit und Verfügbarkeit von alltäglichen Dingen.

Eine Reise nach Äthiopien bedeutet aber auch: Eintauchen in eine andere, sehr alte Kultur, die dadurch verhältnismäßig selbstbestimmt blieb, da sie kaum kolonialen Einfluss erlitten hat. Es bedeutet Eintauchen in eine ganz andere Sprache (amharisch ist Amtssprache), in eine andere Zeitrechnung (in Äthiopien herrscht das Jahr 2009), in eine eigene Uhrzeit (der äthiopische Tag beginnt bei Sonnenaufgang mit 0.00 Uhr), und großartiger landschaftlicher Schönheit aus vulkanischen Gebirgszügen und besonderer Flora und Fauna. Eintauchen in eine Welt der Entschleunigung, der Herzlichkeit, Neugier und menschlichen Wärme. Auf dieser Ebene hatten wir zahlreiche Begegnungen, die wir auf dieser Projektreise erlebt haben und die mit den relativ "kühlen" europäischen Verhältnissen nicht zu vergleichen ist.

Unsere Projektreise nach Hossaina (eine Stadt mit ca. 60000 Einwohnern 230 km südlich der Hauptstadt Addis Abeba) war natürlich keine Urlaubsreise. Ziel war und ist, an einer kleinen Vorschule für etwa dreihundert vier- bis sechsjährige Kinder mit unserem Solarprojekt des WOW-Days unserer Waldorfschule Wendelstein tatkräftige Unterstützung zukommen zu lassen. Dabei ging es uns um drei Aspekte der Hilfe, die auch grundsätzlich für sogenannte "Entwicklungsländer" essentiell sind:

  • Energieversorgung durch kostenlose regenerative Energieträger
  • Verbesserung der medizinischen Versorgung sowie Gesundheitsaufklärung
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für Bildung


Zu allen drei Bereichen hatten wir Unterstützung geplant. Dieses neue Projekt wurde in einer Vollversammlung der Schüler der Klassen 8 bis 12 im Herbst 2015 durch eine Abstimmung zu unserem neuen Hilfsprojekt erklärt. Hierzu konnten wir einerseits die WOW-Day-Erlöse der beiden Aktionstage aus den Jahren 2015 und 2016 (ca. 11000,-€), die großzügige Unterstützung des Rotary Clubs Nürnberger Land (17 000,-€) und zahlreiche weitere Sponsorengelder verwenden, um in diesen Bereichen vor Ort tatkräftig im "Devine Providence Kindergarden Hossaina" unterstützend zu wirken.

Das aktuelle Projekt in Hossaina kam durch einen persönlichen Kontakt im Zusammenhang mit unserem bisherigen Hilfsprojekt mit dem deutsch-äthiopischen Landwirtschaftsunternehmen Ecopia zustande. Der Kontakt zu diesem neuen Projekt in Hossaina entstand auf einer mehrwöchigen Äthiopienreise im Herbst 2015, als Jakob Debus, ehemaliger Schüler der Wendelsteiner Schule sowie ehemaliger Teilnehmer der Projektreise 2014, einen sozial sehr engagierten, aufgeweckten und sehr sympathischen Äthiopier kennen lernte, der sich bereits seit Jahren in Hossaina im Devine Providence Kindergarden ehrenamtlich engagiert. Im August 2016 begab sich eine Vordelegation mit dem Arzt Dr. Hans Günther, Elisabeth Günther, Silke Pirner, Andreas Pirner, Cornelia Debus und mir für eine Woche nach Äthiopien, um die Rahmenbedingungen zu erkunden. Dabei war auch Tibebu Alemu unser Kontakt, Dolmetscher, Organisator und vor allem Freund vor Ort, ohne den unsere ganze Arbeit nicht realisierbar wäre. Die Vorschule in Hossaina wird wiederum von vier katholischen Ordensschwestern geleitet, die seit Jahren mit allen ihnen verfügbaren Kräften versuchen, die Schließung dieser Vorschule zu verhindern. Bisher war dies ein fast unmögliches Unterfangen, da es dort an allen Ecken und Enden an Ressourcen fehlt. Die Schließung der Schule mit insgesamt 12 Lehrerinnen stand wiederholt bevor. Gerade die immer wieder positive, weltoffene und spirituelle Lebensart der Ordensschwestern, die ihren kirchlichen Hintergrund sehr weltoffen und völlig undogmatisch leben, war für uns alle beeindruckend. Umgekehrt war die Dankbarkeit uns gegenüber außerordentlich stark zu spüren: "dieses Projekt ist gelebtes Christentum, daran können sich manche Kirchenvertreter ein Vorbild nehmen", war eine der Äußerungen von Schwester Almaz, die die Schule in Hossaina leitet und die durch ihre Englischkenntnisse und ihr offenes und liebevolles Wesen uns bald ans Herz gewachsen war. Die eigentliche Leiterin der gesamten Einrichtung ist Schwester Maristella, die amharisch und italienisch sprach, mit der wir uns aber auch ohne Worte verstanden.

Die zwölf Schüler der Klassen 11, Lissi Degelmann (Krankenschwester und zuständig für den medizinischen Bereich), Andreas Pirner (als Schreiner und Ingenieur zuständig für den technischen Sektor) und Guiseppe (Pino) Fusaro, der sich vorab sehr für unser Projekt einsetzte und als "Brückenbauer des Menschlichen" von uns zur Mitreise eingeladen wurde, fühlten sich von Anfang an auf dem Gelände der Schule fast wie zu Hause. Wir erhielten stets reichlich leckere Mahlzeiten (Nudeln, Reis, Gemüse, Fleisch alles immer frisch gekocht) und auch trockene, saubere Quartiere. Dabei waren am Ende der Trockenzeit (es hatte Anfang März seit 5 Monaten nicht mehr geregnet!) die Verhältnisse alles andere als einfach: es gab dauerhaft kein fließendes Wasser und über Tage keine Stromversorgung. Wer als Europäer nicht nur für wenige Stunden, sondern über Wochen nicht nur auf einen der beiden Bereiche, sondern tatsächlich auf beides verzichtet hat, kann vielleicht erahnen was das heißt. Dennoch arrangierten wir uns sehr schnell mit diesen Gegebenheiten: bereits am ersten Abend packten wir unsere Solarlichter aus, so dass wir das einzige Haus weit und breit waren, in dem Lampen leuchteten. Da in Äthiopien die Sonne bereits um 18.00 Uhr untergeht, war dies eine sehr hilfreiche Einrichtung über die sich vor allem die Mitarbeiter und Schwestern der Schule sehr freuten. Zudem gewöhnten wir uns schnell daran, dass wir Wasser zum Waschen und für die Toilette nur aus Eimern und anderen Behältern zur Verfügung hatten. Zähneputzen ist aufgrund der Infektionsgefahr ohnehin nur aus Trinkwasserflaschen erlaubt.

 

 

Von Anfang an zeigte sich uns der gute Stern, den wir auf unsere Reise und für unsere Aufgaben mitgenommen hatten: nach 5 Monaten Trockenzeit regnete es in unserer ersten Nacht in Hossaina in Strömen. Die Dächer und Dachrinnen, die das Regenwasser sammelten und in eine große Zisterne leiteten, sorgten somit für ausreichend und sauberes Wasser für uns alle. Da es in den weiteren beiden Nächten ebenfalls stark regnete, war die "kleine Regenzeit" wie ein Segen, der es den Ordensschwestern ersparte, dass mit einem Tankwagen aufwendig Wasser auf unser Gelände gebracht werden musste.

Alle weiteren Materialien und Transportmittel standen (für äthiopische Verhältnisse wirklich eine Ausnahmesituation) fristgerecht zur Verfügung: der Bus und unseren Fahrer hatten wir von einem Kontakt aus dem bisherigen Äthiopienprojekt gemietet. Die Solaranlagen der Firma Fosera im Wert von 12000,-€ waren einige Tage zuvor von Addis Abeba nach Hossaina gebracht worden (insgesamt verbauten wir 96 Lampen mit 32 Solarpanels und zugehörigen Ladestationen). Dazu brauchten wir 1300kg Holz, die einige von uns noch in einer Ganztagesaktion aus Addis beschaffen mussten. Da wir als Projektteam mit unseren 46kg Gepäck pro Person zahlreiche Werkzeuge und Akkugeräte nach Äthiopien mitgebracht hatten (zum Laden wurde teilweise ein Generator angeworfen), waren wir diesbezüglich ausgezeichnet ausgerüstet (hierfür hatte Andreas Pirner gesorgt). Die medizinische Ausrüstung im Wert von über 2000,-€ wurde uns von unserem äthiopischen Pharma- und Fachlieferanten Tewodros (Teddy) Kumsa sogar eigenhändig von Addis nach Hossaina gebracht (was für ihn einfache Strecke gerechnet 6 Stunden Fahrt bedeutete!).

 

 

So machten wir uns in den kommenden Tagen nach regelmäßig eingerichteten morgendlichen Teambesprechungen (die Englischkollegen werden sich freuen: diese fand stets in englischer Sprache statt, denn Tibebu musste als "Logistikchef" alle Inhalte verfolgen können. Auch mit ihm selbst sprachen wir nur englisch…) an die Arbeit. Solaranlagen wurden auf den Dächern und die zugehörigen Lichter und Kabel in den Häusern installiert, die Krankenstation gesäubert, gestrichen und eingeräumt, das Schulbüro mit den Geräten eingerichtet und mit dem Internet vernetzt, Holztiere geschmirgelt und (mit Olivenöl) imprägniert. Zudem bauten wir aus dem beschafften Holz einige Regale und Holzkonstruktionen. Auch neue Schaukeln aus Holz wurden für die Kinder gebaut und gleich freudig von den offenen, fröhlichen und auch sehr anhänglichen Kindern genutzt.

 

 

Bisher war noch gar nicht von den Kindern die Rede. Sie sind ja die Hauptpersonen des ganzen Projektes. Als wir nämlich am ersten Montagmorgen draußen auf der Schulwiese von den in dunkelgrüner Farbe gehaltenen Schulpullovern und Hosen bzw. Röcken gekleideten, äußerst disziplinierten, lautstark singenden Kinder mit ihren großen Augen in den dunkelhäutigen und fröhlichen Gesichtern begrüßt wurden, war der ganze Aufwand und Sinn des Projektes noch einmal mehr als deutlich zu greifen. Hier standen nach Alter und Größe aufgereiht an die 300 kleine Äthiopierinnen und Äthiopier im Alter von 4 bis 6 Jahren, die alle eine individuelle, ungewisse Zukunft vor sich haben und dazu für europäische Verhältnisse sehr früh Lesen, Schreiben, Rechnen und sogar Englisch lernen sollen. Mich hat die Frage, ob die vom äthiopischen Staat verordnete Vorschulpraxis tatsächlich unterstützenswert ist, sehr lange beschäftigt. Es wirkt zunächst befremdend, wenn ein Fünfjähriger auf dem Schoß sitzend auf einem Blatt Papier englische Sätze schreibt und mühelos Rechenaufgaben eines bei uns Achtjährigen löst. In den kommenden Tagen konnte ich die Kinder hier genauer erleben und versuchen, mich auf die Frage der altersgemäßen Entwicklung intensiver einzulassen. Dabei fiel zum Beispiel auf, dass der Zahnwechsel (ein Kriterium der Schulreife) in vielen Fällen bereits mit 5 Jahren einsetzt. Zudem wirken die Kinder deutlich reifer, disziplinierter aber auch weniger individuell als vergleichsweise europäische Kinder diesen Alters. Lernen geschieht stark in der Gruppe verwurzelt, sehr am Rhythmus der Sprache und vor allem am lautstarken Gesang orientiert. Alles geschieht über die Empfindung eines geklatschten oder getanzten Gruppengeschehens, das für Außenstehende fast militärischen Charakter hat, aber bei näherem Einfühlen deutlich zeigt, dass das Schulleben durchaus der seelischen Entwicklung der dortigen Kinder entspricht.

Aber ganz abgesehen von diesen menschenkundlichen Überlegungen waren wir alle einfach stets überwältigt von der Freude und Herzlichkeit der vielen Kinder, die uns entgegenkam.

 

 

Viel problematischer sieht die medizinische Situation aus: zahlreiche Kinder haben Darm-, Magen- oder Hautprobleme. Auch Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen spielen eine große Rolle. Dabei stellten wir fest, dass unsere medizinische Ausstattung nicht genau den Anforderungen der Erkrankungssituationen entsprach. Es fehlt noch an Salben gegen äußere Infektionen und anderen Ausstattungen, die wir auf den nächsten Projektreisen nachbessern werden. Zudem ist Aufklärung zu Hygienefragen wie Zahnpflege, Hautpflege und auch Ernährungsberatung von großer Wichtigkeit. Zudem zeigen Entwicklungen eines kindlichen Körpers große Mangelerscheinungen, wenn zum Beispiel aufgrund der Armut und Infrastruktur in manchen Familien nur ein Glas Wasser pro Kind und Tag zum Trinken zur Verfügung steht. Hier zeigt sich die eigentliche Notlage und deren unmittelbaren Folgen. Schwester Almaz versicherte uns, dass die medizinische Station künftig einmal pro Woche geöffnet werden wird und eine ausgebildete Krankenschwester die Kinder untersuchen wird. Ein umfangreiches Medikamentenlager steht nun zur Verfügung, auch wenn die Medikamente in Zukunft noch besser an kindliche Dosierungen angepasst werden müssen. Hier wird Lissi Degelmann weiter im Team mitarbeiten und mitreisen. Zudem wird für die nächsten Reisen ein Arzt gesucht, der sich auch mit Kinderheilkunde auskennt.

 

 

Zum Ende der ersten Woche waren wir mit nahezu allen Arbeiten zumindest soweit fertig, dass wir am Freitagmittag ein Treffen mit dem Lehrerkollegium ansetzen konnten. Während des Rundgangs, in dem alle Neuerungen auf dem Schulgelände gezeigt wurden, wurde ausgelassen und fröhlich gesungen, geklatscht und getanzt (in Wendelstein habe ich derartige Freude bei einer Verbesserung der Ausstattung nie erlebt...). Auch bedankten sich die Lehrerinnen für die finanzielle Unterstützung der weiteren Lehrerausbildung, die wir bereits 2016 begonnen hatten. Für 2017 und 2018 sind nun weitere Schulungskurse finanziert.

Für das Jahr 2018 wurde zudem auf Wunsch der Lehrerinnen in Hossaina vereinbart, dass wir mit einigen Kollegen aus Wendelstein einen Workshop für das zwölfköpfige Lehrerinnenkollegium anbieten: kneten mit Wachs, Kerzenziehen oder Wasserfarbenmalen werden Ende März 2018 auf dem Programm stehen. Es geht vor allem darum, für die Kinder schöne und kunstvolle Dinge zu gestalten. So werden wir etwas Waldorfpädagogik nach Äthiopien bringen.

Nach der ersten Woche fuhren wir mit einem gesondert angemieteten Geländebus für einige Tage in die äthiopischen Berge nach Chicho Hayo. Die Vorschule in Hossaina betreibt dort eine Geschwistereinrichtung, wo wir ebenfalls einige Medikamente anlieferten und Solarpanels installierten. Im Vergleich zu Hossaina scheint uns die Schule dort aber deutlich besser ausgestattet als in Hossaina, sodass wir in Chicho Hayo zukünftig weniger die Notwendigkeit der Unterstützung sehen als am Hauptort des Projektes. Die Reise durch das äthiopische Hochland, entlang des Omostausees, eine Wanderung durch das Dorf und die Busfahrt über 160km Schotterpiste waren für uns nochmals eine sehr eindrückliche Erfahrung.

 

 

Nach unserer Rückkehr nach Hossaina standen die letzten Tage vor unserer Rückreise vor allem im Zeichen der vorläufigen Beendigung der Arbeiten an den Häusern, Schulgebäuden und der Krankenstation. Zudem wurde Lorenz Geburtstag gefeiert und wir luden am Dienstagabend der zweiten Woche alle Mitarbeiter zum Essen ein. Schon alleine die Busfahrt durch Hossaina, während der laut getanzt, gesungen und geklatscht wurde, war ein Erlebnis.

Für Mittwochmorgen hatte Pino ein Baumpflanzfest angesetzt. Nachdem bereits in Deutschland, den USA, Italien und Brasilien mehrere "Bäume der Menschlichkeit" gepflanzt wurden, sollte ein solcher Baum mit einem Festakt auch in Hossaina auf dem Schulgelände gepflanzt werden. Das Fest wurde durch etwa 500 geladene Schüler der benachbarten höheren Schule, Vertretern der Gemeinde, Eltern der Schule, den Kindern, dem Kollegium und dem Bischof der Region zu einem äußerst fröhlichen Großereignis, das wir alle nicht so schnell vergessen werden.

 

 

Der letzte Abend war ganz der Gruppe und unserem Abschied gewidmet. Schwester Maristella, die Leiterin der gesamten Einrichtung, hatte sich für jeden ein Geschenk und für uns alle eine Ansprache überlegt. Wie immer übersetzte uns Tibebu aus dem Amharischen. Maristella übergab uns einen Brief, der diesem Bericht beigefügt ist. Nach 11 Tagen traten wir schweren Herzens die Rückreise an. So viele menschliche Begegnungen, herzliche Erfahrungen und tiefe Gespräche hatten uns sehr mit dem Ort und den dortigen Menschen verbunden. Aber wir freuten uns auch alle auf zu Hause.

 

 

Für das Jahr 2018 sind weitere Projektreisen und Schritte geplant, denn zahlreiche Aspekte sind noch lange nicht vollendet oder weiterzuentwickeln:

  • Die medizinische Versorgung ist wie angedeutet weiter zu verbessern
  • Schulmöbel müssen gebaut bzw. gewartet werden
  • die Schulausstattung und auch die methodisch-didaktischen Fertigkeiten des Kollegiums sollen weiter verbessert werden
  • Die Schule beherbergt einen Raum mit sehr alten, manuellen Nähmaschinen in dem Jugendliche nähen lernen. Hier soll technisch geholfen werden bzw. Schulungen für die Anfertigung von Schulkleidung stattfinden. Denn viele Schulkleidungsstücke der Kinder waren erkennbar in einem sehr desolaten Zustand
  • Solarpanels können gezielt für sehr arme Mitglieder der Schulgemeinschaft installiert werden, um die Lebensverhältnisse einzelner Familien konkret zu verbessern

Diese Ideen dienen auch dazu, das Projekt weiter nachhaltig zu gestalten und vor allem die entstandenen menschlichen Kontakte weiter zu pflegen.

Rückblickend möchte ich mich bei zahlreichen Helfern, Akteuren und Mitwirkenden bedanken, dass wir diesen neuen Projektabschnitt so erfolgreich gestalten konnten. Allen voran ein herzlicher Dank den Mitreisenden Lissi Degelmann, Andreas Pirner und Pino Fusaro für ihren energiereichen Einsatz. Das Schülerteam mit Carla, Mia, Michelle, Nele, Sarah, Gregor, Jonathan, Lorenz, Luka, Lukas, Matteo und Thilo trug durch seine offene, flexible und motivierte Haltung wesentlich zum Projekterfolg bei. Der Dank geht auch an das Kollegium in Wendelstein, das für die Freistellung der Mitreisenden gesorgt und die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen hat, dass unser globales Schulprojekt in dieser Form möglich ist.

  • Allen Schülerinnen und Schülern, die am WOW-Day durch ihre Arbeit eine finanzielle Grundlage geschaffen haben, herzlichen Dank!
  • Danke auch den zahlreichen Unterstützern und Sponsoren. Allen voran dem Rotary Club Nürnberger Land sowie dem Club Graz für ihre überaus großzügige Großspende!
  • Danke an die vielen Mitarbeiter und an die Ordensschwestern in Hossaina für die große Gastfreundschaft, das gute Essen und die ständige Sorge, dass wir uns dort wohlfühlten.
  • Danke an Chernit, unseren Busfahrer, der uns sicher durch die belebten Straßen Äthiopiens chauffierte.
  • Vielen Dank an Teddy für das Bringen der Medikamente. Dank auch an Nikola und Alex von Megenanja für den Solartransport und den Bus.
  • Herzlichen Dank auch an Thomas Koepke von Fosera, der sich nach einigen Tagen in Äthiopien bei uns sogar telefonisch meldete und sich nach uns und den Solaranlagen erkundigte.
  • Und natürlich danke ich sehr Tibebu Alemu für seinen großen Einsatz, der als Nahtstelle zwischen hier und dort unverzichtbar ist. Er wird nun wieder in den südwestlichen Dschungel Äthiopiens reisen, um seine nahezu 50 Bienenvölker zu versorgen und zu pflegen. Hierfür haben wir ihm ein übriges Solarmodul sowie eine von Andreas gebaute Reisetoilette mitgegeben….


Zum Schluss noch einige grundsätzliche und übergeordneten Gedanken.

Es geht dabei um die Frage nach dem Sinn, den Zielen und den Hintergründen eines solchen Projektes. Denn immer wieder wurde ich gefragt, was denn mein eigener Antrieb für eine solche Projektarbeit sei, die Kosten verursacht, Energie und Verantwortlichkeit erfordert und die einen vordergründig von Haus, Schule, Familie oder sonstigen Aufgaben abzieht.

Hier sind mir zwei Blickrichtungen wichtig:

  1. Die beteiligten Schüler aus den 11. Klassen der Freien Waldorfschule, die auf private Kosten nach Äthiopien reisten, lernten wesentliche globale Prozesse und Vorgänge in einem der ärmsten Länder der Erde kennen und erlebten, dass sie sich sicher, weltoffen und im weltweiten Kontext bewegen können. Zudem wurde ihnen bewusst, in welcher privilegierten Lebenssituation sie sich selbst befinden. Dies wird beispielsweise an einem Auszug aus dem Erfahrungsbericht des Schülerteams deutlich, der in voller Länge auf unserer Website veröffentlicht ist: "Der starke Kontrast, von arm zu reich, ließ sich schnell erkennen. Ein jeder war von den, für uns, katastrophalen Lebensbedingungen, insbesondere in der Stadt, erschüttert. Im Vergleich zu Deutschland gibt es ungeheuer viel Abfall und Dreck. Die schlechten Straßen und die schäbigen Unterkünfte aus Wellblech waren für alle ein erschreckender Anblick" Einige Tage später schreibt das Team aber: "Inzwischen sind ca. zehn Tage vergangen und wir alle wünschen uns länger bleiben zu können. Der Luxus von Zuhause fehlt uns nicht, da man merkt, dass man ihn nicht benötigt um ein glückliches Leben zu führen." Mit sehr großem Engagement brachte sich das ganze Team durch seine Fähigkeiten konkret für andere Menschen in einem fremden Erdteil ein. Viele menschliche und herzliche Kontakte entstanden. Die sonstige Form von "Schule", die sich ansonsten in den meisten Fällen auf Klassenzimmersituationen und gedankliche (bestenfalls auch das Gefühl erreichende) Durcharbeitungen begrenzt sieht, erfuhr hier einen konkreten Handlungsbezug. Auch wenn unser Tun nur einen Tropfen im "Weltmeer des globalen Geschehens" darstellt, so muss doch auch berücksichtigt werden, dass Meere nur aus Tropfen bestehen und diese wiederum einen Ozean ergeben können. Beginnen können wir nur bei uns selbst als denkende, fühlende und handelnde Menschen für weltweit aufeinander angewiesene Menschen in einer aktuellen Zeit- und Weltlage, die die Möglichkeiten und Entwicklung des ganzen Menschen erfordert.
  2. Menschen einer fremden und fernen Kultur, vor allem die vielen Kinder in Hossaina erfuhren in Lebensbereichen konkrete Hilfe und Unterstützung, für die gerade in einem Land wie Äthiopien wesentlich geringere Chancen für Menschen bestehen, als im reichen Europa. In Äthiopien herrscht vor allem aufgrund der aktuellen ökonomischen Konstruktion unserer globalisierten Welt ein großer Mangel an Wasser, Lebensmitteln, Medizin, Bildung, Energie und Infrastruktur. Der humanistische Grundsatz der "Brüderlichkeit" , der als einer der wesentlichen Wertegrundsätze der christlich-aufgeklärten Welt zunehmend durch Protektionismus, Nationalismus und vor allem Egoismen verdrängt wird, erlebt hier eine konkrete Anwendung und Umsetzung und macht wach für die aktuellen Nöte, Situationen und Haltungen in der Welt. Dies sollte auch der "Baum der Menschlichkeit", der durch Pinos Initiative gepflanzt wurde, symbolisieren.

 

Ganz zum Schluss geht mir noch ein Grundgedanke Rudolf Steiners durch den Sinn, der mit der Waldorfpädagogik eine Schulform ins Leben rief, die den Menschen in umfassender Weise bilden und ihn somit wieder an seine geistige Herkunft anknüpfenden lassen kann, um auf die zahlreichen Anforderungen der kommenden Generationen menschlich reagieren zu können. Zum Fach Geografie, in dessen Kontext ich das gesamte Projekt sehe, äußert sich am 14. Juni 1921 Steiner vor dem ersten Lehrerkollegium der Stuttgarter Waldorfschule in folgender Weise:

"Wenn wir das wirklich anschaulich betreiben, dann stellen wir den Menschen in den Raum hinein, wir bilden insbesondere dasjenige in ihm aus, was ihm ein Weltinteresse beibringt, und das wird sich in der verschiedensten Weise in der Wirkung zeigen. Ein Mensch, mit dem wir verständig Geographie treiben, steht liebevoller seinem Nebenmenschen gegenüber als ein solcher, der nicht das Daneben-im-Raum erlernt. Er lernt das Danebenstehen neben den anderen Menschen; er berücksichtigt die anderen. Diese Dinge gehen stark in die moralische Bildung hinüber, und das Zurückdrängen der Geographie bedeutet nichts anderes als eine Aversion gegen die Nächstenliebe, die sich in unserem Zeitalter immer mehr und mehr zurückdrängen lassen musste."
 

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