Eine Monatsarbeit in der 8. Klasse

Ein Beitrag von Marcus Kraneburg (Freie Waldorfschule am Kräherwald / Stuttgart)

Zum dritten Mal habe ich nun eine 8. Klasse und bei der freien Arbeit, die wir normalerweise als Jahres- oder Halbjahresarbeit bezeichnen, wollte ich einen neuen Akzent setzen. Immer wichtiger scheint es mir, die Highlights des Lernen nicht außerhalb, sondern in der Schule stattfinden zu lassen. Dazu wollte ich die selbstständige Arbeit der 8. Klasse nutzen. Während des Hauptunterrichtes wollten wir für 4 Wochen selbstbestimmt und selbstorganisiert miteinander lernen. Die verschiedenen Aspekte dieser Art von Lernkultur sollen im Weiteren etwas ausgeführt werden.

 

Themenwahl

Bei einer Jahresarbeit kann man sich sein Thema selbst wählen - das durfte man bei der Monatsarbeit auch. Nur erfuhr die Themenwahl gewisse Einschränkungen: Die Arbeit musste in 20 Hauptunterrichten zu bewältigen sein. Ich gewährte den Schülern also den Zeitraum einer 4-wöchigen Epoche für ihre Monatsarbeit. Natürlich durfte auch zu Hause und am Wochenende gearbeitet werden, aber deutlich war: Der Hauptteil der Arbeit sollte im Hauptunterricht stattfinden.

 

Selbstständigkeit - Rolle des Mentors

Des Weiteren erhielt das Gebiet der Selbstständigkeit einen ganz anderen Stellenwert. Das Thema musste so gewählt werden, dass es der Schüler im Wesentlichen allein bewältigen konnte. Dies war sehr wichtig, wenn die Arbeit gelingen sollte. Der Mentor, den sich jeder Schüler suchen musste, war im Hauptunterricht ja nicht anwesend. Er konnte nur aus der Ferne bei der Planung und beim Zeitmanagement helfen. War die Themenwahl unter diesem Aspekt gelungen, so war der Schüler tatsächlich selbstständig auf sich gestellt. Mir war es immer ein Dorn im Auge, wenn die tollsten Jahresarbeiten bei der Präsentation erschienen, bei denen der Schüler nur die Handreichungen gemacht hatte. Auch dabei wird selbstverständlich vieles gelernt - nur war es nicht das, was für mich im Mittelpunkt einer selbstständigen Arbeit stehen sollte.

 

Das anregende Miteinander

Insgesamt standen uns drei Räume zu Verfügung: unser Klassenraum, ein Handwerksraum und ein Handarbeitsraum. Zwei Mütter der Klasse halfen bei der Aufsicht, sodass überall ein Erwachsener anwesend war. Inhaltlich konnte der jedoch durchaus nicht helfen.

Die Stimmung im Klassenraum war geprägt durch stilles, konzentriertes Arbeiten am Text - in den anderen beiden Räumen hingegen konnte man sich auch gegenseitig zur Hand gehen. Man sah, was der andere machte und wie er es machte. Das war anregend. Die einen arbeiteten höchst konzentriert und effektiv. Jeden Tag wuchs das Werkstück in großen Schritten. Andere hatten Dinge vergessen, falsch geplant oder Lieferzeiten nicht berücksichtigt. Für die Letzteren lagen immer Matheaufgaben im Klassenraum bereit :-).

Aber dieses alles - insbesondere das Gemeinsame war ungemein lehrreich.

 

Arbeitszeit und Tagebuch

Wir arbeiteten von ca. 8.10 Uhr bis 9.25 Uhr. Dann wurde aufgeräumt und Tagebuch geschrieben. Die Fragen, die dabei täglich beantwortet werden sollten, lauteten: Was habe ich heute geschafft, worauf musste ich besonders achten, wie gelang es mir, was nehme ich mir für morgen vor? Diese kleinen Werk-Tagebücher (DIN A5 Hefte) sah ich jeden Tag durch.

Die letzten Minuten des Hauptunterrichtes waren wir wieder alle im Klassenraum versammelt und einige berichteten, was sie an dem Tag geschafft hatten.
Jeweils freitags machten wir 15 Minuten früher Schluss. Dann durfte man andere Schüler besuchen und sich den Stand der Monatsarbeit zeigen lassen.

 

Abschlusspräsentation

Ähnlich wie bei einer Jahresarbeit fand auch eine Abschlusspräsentation statt. Wir legten sie direkt auf das letzte Wochenende der 4-wöchigen Zeit, sodass der Strom unserer Tätigkeit ohne Unterbrechung hierin seinen Höhepunkt fand. Viele Eltern waren von den Ergebnissen dieser 4 Wochen tief beeindruckt.

 

Hier einige der gewählten Themen:

Kochbuch, Roman, Kinderbuch, Drehbuch, Cocktailbuch, Brillenregal, begehbares Kinderhaus, Vögel und Bau von ungewöhnlichen Brutkästen, Bogenbau, Regal, Hasenstall, Jacke nähen, Filmdoku: Skateboard, Filmdoku: Cheerleading, Malerei: Sultan Achmed Moschee, Fotographie: Der Teddy im Leben der Menschen, Hip Hop - Streetdance, Komposition eines Klavierstückes, Studie: Freizeitverhalten ...

 

Mein Resümee

Insgesamt blicke ich sehr positiv auf diese Monatsarbeit zurück. Ich würde sie erneut machen, vielleicht auch schon in der 7. Klasse mit 2 Wochen unter etwas anderen Vorzeichen. Sie traf meines Erachtens genau die Schülerfrage: Was kann ich mir denn schon wirklich selbstständig erarbeiten? Es gab jedoch auch Stolpersteine. Beim nächsten Mal würde ich noch mehr Wert auf eine treffende Themenwahl legen. Die Schüler erlebten dies z.T. als einschränkend, weil sie von der Jahresarbeit anderer Klassen anderes gewohnt waren. Andererseits erlebten sie einen gewissen Stolz, nachdem sie durch die wesentlichen Prozesse allein hindurchgegangen sind. Lernen heißt ja nicht nur Erfolg haben, sondern vielmehr auch scheitern, wiederholen und seinem Ziel treu bleiben können. Diese Dinge konnten die Schüler an sich und den anderen in der Schulzeit beobachten. Das hatte für mich einen ganz besonderen pädagogischen Wert.

 

Rückblickend einige Schülerstimmen:

  • Ich finde die Monatsarbeit zum einen Teil besser als die Jahresarbeit, da man Zeit im Unterricht bekommt. Leider kann man dann nicht immer die Arbeit machen, die man machen will, weil man den Hauptteil der Arbeit im Unterricht schaffen muss. Das gelingt nicht bei jedem Thema. Trotzdem finde ich die Monatsarbeit besser, weil auch die Mitschüler sehen können, wie die anderen vorgehen. Ich habe daraus gelernt, dass ich, wenn ich bei der Monatsarbeit im Unterricht gearbeitet habe, mehr bei der Sache war, als wenn ich es in meiner Freizeit bin - und dass ich das ändern sollte.
  • Ich fand die Monatsarbeit sehr gut, weil man eigentlich selber für seine "Arbeit" verantwortlich ist. Natürlich  hat man sich in der Holzwerkstatt gegenseitig unterstützt. Ich persönlich habe gemerkt, dass mir die handwerklichen Tätigkeiten generell immer besser gelingen, auch im Handwerksunterricht. Als ich die Monatsarbeit begann, zog sich jede Aufgabe Tage lang, ich machte viele Fehler und benötigte viel Unterstützung. In der 3. Woche merkte ich jedoch eine große Wendung. Ich erledigte meine Arbeit mehr als doppelt so schnell, arbeitete selbstständig und sauber. Ich denke, dieses Erfolgserlebnis war nötig, um mich erneut zu motivieren.
  • Mir hat die Monatsarbeit ausgesprochen gut gefallen, weil man lernen konnte, sich für jeden Tag in der Schule genügend Arbeit einzuteilen. Zudem musste man über einen längeren Zeitraum dranbleiben, was für das spätere Leben wichtig ist. Man konnte auch die verschiedensten Sachen bauen, weil uns die Werkstatt, wie auch ein Handarbeitsraum zur Verfügung stand.
  • Die Idee einer Monatsarbeit fand ich sehr schön, nur war es schade, dass man nicht immer das machen konnte, was man wollte, da es zeitlich nicht ging. Mit hat es sehr gut gefallen, dass wir die Nähmaschinen der Schule benutzen durften und nicht unsere eigenen mitbringen mussten. Durch die Monatsarbeit habe ich gelernt, mich besser zu organisieren und selbstständiger zu arbeiten. Im Großen und Ganzen hat es sehr viel Spaß gemacht und ich würde es wiederholen wollen.
  • Wir haben eine Monatsarbeit gemacht, was ich eigentlich gut fand, da es nicht so viel Arbeit und Fleiß erforderte wie eine Jahresarbeit. Das dachte ich zumindest. Für mich war aber die Monatsarbeit viel anstrengender und schwieriger als eine Jahresarbeit. Da ich an meinem Buch jeden Tag schreiben musste, um eine gewisse Zahl an Seiten zu füllen, war es sehr anstrengend. Jetzt im Nachhinein hätte ich eine Jahresarbeit vorgezogen, dann hätte ich für das Schreiben meines Buches mehr Zeit gehabt. Trotzdem fand ich die Monatsarbeit durchaus als sehr gute Alternative.
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