Hermes Olympische Spiele

Die von den Rudolf Steiner Schulen der Schweiz durchgeführten Olympischen Spiele feiern 2008 ihr 10-jähriges Bestehen.

Ein Beitrag von Michael H.- Froehlich (Rudolf-Steiner-Schule Basel)

Es ist 6.30 Uhr. Aufregung im Haus. „Heute geht es zu den Olympischen Spielen!“ Ist alles gepackt? Der Rucksack mit dem z`Mittag, die Trinkflasche für die Reise, mein selbst gemalter Gürtel mit dem Mäander, das weisse T- Shirt, der Sonnenschutz? Au, beinahe hätte ich es vergessen! Ich muss ja die Standarte unserer Klasse mitnehmen….da war doch noch etwas…ja, das Stück Holz für das Olympische Feuer! Über 300 Kinder werden heute einen Holzscheit mitnehmen…was für ein Berg das sein muss!

PÄDAGOGIK

Aufgrund der Lehrplananregung Rudolf Steiners beschäftigen sich die KlassenlehrerInnen der Rudolf Steiner Schulen in der fünften Klasse mit der Geschichte Griechenlands, um den Kindern in der „goldenen“ Mitte ihrer Kindheit eine der besonderen Blüten menschlicher Kultur zu verlebendigen.

Die Hermes Olympischen Spiele haben wir zur Vertiefung dieses Erlebnisses entwickelt. Waren sie doch in Griechenland über 1000 Jahre hinweg ein Moment der Friedensruhe, an dem alle Waffen schwiegen bzw. ruhten.

KLASSENZUG UM KLASSENZUG …

… werden SchülerInnen aus der ganzen Schweiz und den angrenzenden Gebieten aus Deutschland, Frankreich, Österreich und Fürstentum Lichtenstein mit wehenden Klassen-Standarten heranziehen und den Beginn der Spiele erwarten. In den Jahren bisher wurden die Spiele auf dem Gurten zu Bern, auf einer Wiese des Demeterhofes Wagenburg am Pfäffikersee und in der Region Basel auf dem Dittinger Flugfeld sowie letztes Jahr erstmalig auch in Deutschland auf dem Segelflugplatz Hotzenwald durchgeführt. Im Jahr 2008 haben sich auch 15 staatliche Schulen zu einer Teilnahme entschlossen.

ZEITEN DES FRIEDENS

In der Schule haben die SchülerInnen über die antiken, olympischen Spiele gehört; über die Zeit des Friedens, die mit ihnen anbrach, warum man nicht „Olympiade“ sagt, denn das sei ja die Dekade zwischen den Spielen, die oft gar nicht friedlich gewesen war, von den wilden Rossen, wie Pinda sie und ihre Bezähmung im „Wagenlenker“ beschreibt.

Nun mag es in mancher Schulstube auch erwähnt worden sein: Wir werden auch einen ganzen Tag an echte „Olympische Spiele“ gehen! Die ersten Buben wissen schon in welcher Sportart sie siegen werden und dass sie die stärkste Klasse sind. Sie ahnen allerdings noch nicht, dass die Klassenverbände aufgelöst werden und nur je 5 Kinder der gleichen Klasse zusammen bleiben. Dadurch entstehen gemischte Teams, die z.B. durch SchülerInnen aus Basel, Colmar, Freiburg und Münchenstein und so weiter zusammengesetzt sind. Die „Götterteams“ bestehen aus einer Mannschaft von etwa 20 Kindern.

Was sich zunächst etwas befremdlich anfühlt verwandelt sich über den Spieltag zu einem imposanten Mannschaftsgeist. Geführt werden die Gruppen in der Regel von den teils durch wunderschöne Götterkostüme verwandelten KlassenlehrerInnen. Kinder unterschiedlicher Nationen, Hautfarben, Sprachen liegen sich nach der Rangverkündigung in den Armen und freuen sich: „Wir haben gewonnen!“

DIE DISZIPLINEN

Die unterschiedlichen Disziplinen haben sich aus pädagogischen Gesichtspunkten der Bewegung ergeben und lehnen sich an die 5 Urdisziplinen (Laufen, Ringen, Weitsprung, Speerwurf und Wagenrennen) der Griechen an.

So ist das Hauptthema beim 60m-Lauf und das beim Marathon (ca. 1km um das Spielfeld herum) einerseits polar (kurzer und kräftiger / langer und ausdauernder Lauf) und andererseits auch völlig anders als etwa beim Pfeil- und Ringwerfen (feinmotorische Zielgenauigkeit und umkreisorientiertes Ring-über-den-Stock-Werfen).

Auch stellt das Seilziehen die Mannschaft auf die Probe, während beim Steinstossen (5 kg- Steinkugel) die individuelle Kraft und Geschicklichkeit ausschlaggebend sind. Neben dem „Hosenlupf“, Weitsprung und Speerwerfen stellt die unbestrittene Nummer eins im Rating bei den SchülerInnen das „Wagenrennen“ dar. Hier wird „Olympische Emotion“ geboren!

UNVERGESSLICHE TAGE

Die Kinder werden italienisch, französisch, deutsch sprechen und hören. Sie werden kämpfen, lachen, rasten. Doch jedes Feuer brennt einmal nieder. Das Fest, welches mit Rezitation, Gesang und Tanz bei original griechischer Live-Musik begonnen hat, mit der Verteilung in die Mannschaften und den anschliessenden Wettkämpfen in den „Götterteams“ seinen Tageslauf nahm, geht mit der Siegerehrung zu Ende.

Angefangen mit Platz 12 werden die Ergebnisse verkündet: rückwärts --- jeder weiss bei welcher Platzierung der grösste Jubel losbricht – dann gehen alle Kinder mit ihren LehrerInnen nach Hause. Jeder hat eine Medaille, manche Tagesbestleistungen sogar eine vergoldete, Mannschaftssieger tragen einen Lorbeerkranz auf dem Kopf, einen Tonbecher mit dem Hermesboten im Rucksack und einen erlebnisreichen Tag in ihrem Gemüt. Das Feuer wird noch brennen… in diesem Jahr vielleicht sogar ein zweites Mal, wenn meine Mannschaft auf einem der ersten beiden Tagesränge ist. Die Tagessieger reisen zum Finale. Welches Götterteam wird dann in Bern auf dem Siegerpodest stehen?

Die Einladung aller Schultypen zum Jubiläum rief auf allen gesellschaftlichen Ebenen ein sehr positives Echo hervor.

UNESCO

Die diesjährigen Spiele stehen durch das Beitrittsgesuch der Rudolf Steiner Schule Basel zum Netzwerk der UNESCO- assoziierten Schulen unter einem weiteren besonderen Stern. Sie sind das offizielle Anerkennungsprojekt der Schule und wurden von Koichiro Matsuura in Paris bei der Vergabe des Status als Projekt anerkannt. Das ehrte uns sehr und unterstrich, dass wir ebenfalls mit den Zielen einer humanitären Weltorganisation übereinstimmen.

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