Die Panhellenischen Spiele

Aus den Life Time Büchern zur Kulturgeschichte, gefunden von Petra Eimermacher

Es gab kaum eine Stadt, die es sich nehmen ließ, Spiele zu Ehren der Götter auszurichten. Die Aufmerksamkeit des gesamten Griechenlands jedoch richtete sich auf die vier großen panhellenischen Festspiele: die Olympischen Spiele in Olympia und die Pythischen Spiele in Delphi, die alle vier Jahre abgehalten wurden; die Nemeischen Spiele in Argolis und die Isthmischen Spiele in Korinth, die alle zwei Jahre stattfanden. Diese Spiele zogen die jeweils besten Athleten aus allen Teilen Griechenlands an. Sie waren mit Leidenschaft Amateure und stritten als einzelne, nicht als Mannschaft (wenngleich die Städte mit Stolz auf ihre Sieger blickten). Für die Dauer der Spiele wurden die Kriege ausgesetzt; Sparta wurde während des Peloponnesischen Krieges mit einer Geldstrafe belegt, weil es die geheiligte Waffenruhe der Olympischen Spiele entweiht hatte.

 

OLYMPIA

Die bedeutendsten panhellenischen Wettkämpfe waren die in Olympia abgehaltenen Olympischen Spiele. Olympia war keine Stadt, sondern eine Ansammlung von Tempeln und Arenen. Aus allen Teilen Griechenlands strömten Menschen herbei, und da es keine festen Häuser gab, bauten sie Zelte auf und schliefen im Freien. Alle Städte entsandten Botschafter, die wichtige politische Fragen verhandelten; oft wurden bei den Spielen Friedensverträge oder Bündnisse ausgehandelt. Unter den Anwesenden waren auch Pferdehändler und Verkäufer, die Weinschläuche und Nahrung, Amulette und Votivgaben marktschreierisch feilboten, denn die Olympischen Spiele waren nicht nur ein religiöses Ereignis, sondern gleichzeitig ein Jahrmarkt. Die Menschenmengen strömten ins Stadion, um den Lauf- und Sprungwettbewerben, dem Diskus- und Speerwerfen beizuwohnen. Auf der Rennbahn, dem Hippodrom, fanden die Pferde- und Wagenrennen statt. Die Arena der Box- und Ringkämpfer war ein freier Platz vor dem Zeus-Altar. An anderer Stelle in diesem Wald von Altären und Standbildern konnte man Dichter und Künstler finden, die nach Olympia gekommen waren, um das Publikum zu unterhalten oder ihre Arbeiten zu verkaufen. Nachts wurden große Feste gefeiert.

 

LÄUFER UND WAGENRENNEN

Wettläufe und Wagenrennen bildeten den Kern der Spiele. Zur Eröffnung der Olympischen Spiele fand ein Wagenrennen mit Viergespannen statt. Bis zu 40 Wagen stellten sich in den Boxen einer dreieckigen, einem Schiffsbug ähnlichen Startschranke auf, deren Spitze die Rennbahn hinabzeigte. Die Bänder, die den Wettkämpfern den Start freigaben, fielen in verschiedenen Abständen, so dass alle Wagen zu Beginn des Rennens auf einer Höhe lagen. Die Wagenlenker mussten den Rennkurs, der durch zwei in den Boden gerammte Pfeiler abgesteckt war, 12mal hin und zurück durchfahren, was einer Strecke von etwa 14 Kilometern entspricht. Da es nicht leicht war, vier galoppierende Pferde um einen Steinpfeiler zu wenden - die Wagen gerieten dabei stark ins Schleudern -, gab es viele Zusammenstöße und Stürze, und große Staubwolken wirbelten auf. Nur sehr erfahrenen Wagenlenkern gelang es, das ganze Rennen unversehrt durchzustehen.

 

HITZIGE WETTKÄMPFE

Der Wettstreit in Olympia war hitzig. Ohne Sattel oder Steigbügel ritten die Jockeys ihre Pferde voll aus. Die Springer trugen Gewichte in den Händen, die sie vorwärtsschwangen, um den nötigen Antrieb zu bekommen. Das Pankration war ein Kampf, der sich aus Boxen, Ringen, Treten und Würgen zusammensetzte und bis zur Aufgabe eines Kämpfers geführt wurde. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wurde der Kampf nackt bestritten. Die Griechen betrachteten es als natürlich, Sport nackt zu treiben - es nährte das Gefühl des Stolzes auf die körperliche Tauglichkeit und das Gefühl der Schmach über die körperliche Schlaffheit.

 

ZEITVERTREIB UND VERGNÜGEN

Die Vorbereitung auf die Wettkämpfe war zermürbend. Es ist kein Zufall, dass aus dem griechischen Wort für öffentliche Spiele das heutige „Agonie" wurde. Aber es gab auch Zeiten der Erholung von den endlosen körperlichen Übungen. Man konnte einen ruhigen Augenblick dazu benutzen, bei einem Kampf zwischen Hund und Katze, Wetten abzuschließen oder ein Ballspiel zu veranstalten. Die griechische Kunst stellt sehr viele Spiele dar, deren genaues Wesen man nur erraten kann, denn es gibt keine andere Aussage über sie als Bilder. Auf einem Bild stehen zwei Männer mit gebogenen Stöcken in einer Haltung, wie sie bei einem Bully beim Hockey eingenommen wird. Ein anderes Bild zeigt einen Mann, der auf den Schultern eines zweiten sitzt und versucht, einen Ball zu fangen. Die Spiele waren Zeitvertreib und standen nicht auf dem Programm der Olympischen Spiele, bei denen es nie Mannschaftswettbewerbe gab - vielleicht weil die Griechen von Natur aus für das dazu notwendige Zusammenwirken zu hitzig waren.

 

DIE AUSZEICHNUNG DER SIEGER

Sieger bei den großen panhellenischen Spielen bekamen nur Kränze - Blätter von wilden Oliven bei den Olympischen Spielen, Fichtennadeln bei den Isthmischen Spielen in Korinth, Lorbeer bei den Pythischen Spielen, und Petersilie bei den Nemeischen Spielen in Argolis. Bei unbedeutenderen Festspielen wurden wertvolle Preise vergeben: 100 Vasen Olivenöl für den Gewinner des Wagenrennens in Athen, Umhänge in Pellene, Schilde in Argos. Aber es gab auch andere Vergünstigungen für die Sieger. In ihren Heimatstädten wurden ihnen zu Ehren Statuen errichtet. Zeitweilig wurde eigens für den Einzug des Helden eine Öffnung in die Stadtmauer geschlagen. Er wurde im Triumphzug durch die Straßen geführt, und an öffentlichen Plätzen wurden Gedichte zu seinem Lobe gesungen. Eine ausgesprochen enthusiastische Stadt konnte ihm einen Platz in der ersten Reihe bei allen öffentlichen Schauspielen zuweisen, ihn von Steuerabgaben befreien und ihm freie Kost gewähren. Und in Athen, doch nicht nur dort, gab man dem Sieger einen ansehnlichen Betrag in bar.

Ihr Kommentar