„Wege ins Bild“

Ein Beitrag von Monika Lüers (Kunstlehrerin an der Freien Waldorfschule Bremen Touler Straße)

Dieses Jahr haben wir uns im WPF Malen mit Malprozessen und Methoden der Bildfindung auseinandergesetzt. Wie komme ich zu Bildern, ohne das Motiv oder Ergebnis zu kennen? Dazu gehört der Mut, Fehler zu machen und diese sog. „Zwischenzustände“ weiter zu bearbeiten. Spielereien mit Farbe und Pinsel, tschüss Kontrolle, Zufälligkeiten und Intuition sind gute Begleiter, um „Mal-Blockaden“ zu lösen. Angst vor dem weißen Blatt und Angst davor, das Bild könnte nix werden, verschlimmern die Blockade. Man steht unter Erwartungsdruck. Da wird Neugier verhindert, da wird auf ein Ziel hingearbeitet. So gelingt es kaum, das Malen zu einem Genuss, zu einem Farberlebnis zu machen, in einen Malprozess einzutauchen und einfach loszulassen. Um den inneren „Zensor“, der einem immer im Nacken sitzt, zu begegnen, gibt es verschiedene Methoden und Übungen.

Eine abwechslungsreiche und spannende Methode sind „Zeichendiktate“, die nach strengen, aber nicht sklavischen Vorgaben Motive, Materialien, Farbe, Formen, Linien, schneiden, kleben, übereinander schichten und Weiteres neue Wege ins Bild eröffnen. Häufig ist es interessant, wie ein Bild entstanden ist, nicht so sehr das Ergebnis ist von Bedeutung. Das sei zur Nachahmung für vermeintlich untalentierte oder motivarme künstlerisch Interessierte empfohlen. Einfach loslegen und ausprobieren auf einem kleinen DIN A5 Papier.

  • Schritt 1: Zeichne deine Hand, wie sie Zucker in eine Tasse löffelt, mit weißer Kreide auf schwarze Papier.
  • Schritt 2: Schneide drei unterschiedlich große rundliche Formen aus und klebe sie verteilt auf das Blatt.
  • Schritt 3: Drehe das Bild um und zeichne einen Duschkopf mit rosafarbener Kreide.
  • Schritt 4: Zeichne einen Tisch mit schwarzer Farbe über das ganze Blatt.
  • Schritt 5: Male den oberen Hintergrund mit cremegelber Acrylfarbe aus.
  • Schritt 6: Zeichne und kratze mit Bleistift Wassertropfen in die frische Farbe.
  • Schritt 7: Setze mit schwarzer Farbe noch einige Akzente.
  • Schritt 8: Schaue das Bild an und gestalte es fertig.

Nur: Wann ist ein Bild fertig?

Bei dieser Art der Bildfindung entstehen Arbeiten, an die man sich erst einmal gewöhnen muss, es gibt nichts Vergleichbares und eine Beurteilung fällt schwer. Wichtig ist eine entsprechende Übersetzung zu schaffen, das Charakteristische herauszuarbeiten, anstatt nur oberflächlich abzubilden. Also gilt es, nach formalen Gesichtspunkten zu gehen, nicht nach inhaltlichen. Gefällt mir das Bild? Was löst es in mir aus? Fehlt noch was? Wann ein Bild fertig ist, sollte eher gefühlsmäßig entschieden werden.

Auch ein „Zeichenspaziergang“, am besten noch zu einer verträumten und aufmunternden Musik als zusätzliche Inspiration, ist eine weitere lockernde Methode, um anschließend das Entstandene zu einem vielleicht ungewohnten Motiv farblich weiter zu gestalten. Das kann ein Spaziergang in der gewohnten Umgebung sein, zu Hause, in der Stadt, an Schaufenstern vorbei schlendernd, in Parks und Straßencafés. Paul Klee sagte einmal: „Zeichnen ist die Kunst, Striche spazieren zu führen.“ Auf geht’s!

  • Zeichne was du siehst und was dir interessant erscheint.
  • Zeichne, ohne den Stift abzusetzen.
  • Bleibe mit deinem Stift im Fluss.
  • Korrigiere nicht, sondern zeichne immer etwas anderes, beobachte und halte es mit deinem Stift fest.
  • Zeichne eine Figur zum Abschluss drüber.
  • Gestalte die Zeichnung mit Farbstiften oder Farbe aus.
  • Ziehe einige Umrandungslinien mit Filzstiften nach.

Weiteres: Vom Kleinformat zum Großformat bezeichnet die Möglichkeit, Porträts nach Fotovorlagen auf großformatige Leinwände zu übertragen und diese in ihren Charaktereigenschaften expressiv und kraftvoll erscheinen zu lassen. Menschen mit ihren Gesichtern und Ausdrucksweisen sind einzigartig. Das Wesen und die individuelle Persönlichkeit in einem Porträt wiederzugeben ist eine Herausforderung. Neben Proportion, Plastizität und Gesichtszügen sind die Farbwahl und der Farbauftrag ganz wesentlich, um spontane und spannungsvolle Menschenbildnisse zu schaffen. Die Bewältigung des großen Formats verlangt schon einiges an Energie und Physis, Durchhaltevermögen und Übersicht. Schichtweise wird die Farbe mit großem Pinsel und kraftvoller Strichführung aufgetragen. Die Farbgebung ist expressiv und spontan gewählt. Komplementärkontraste lassen die Farben noch deutlicher leuchten. Hell-Dunkelkontraste bringen Tiefe ins Bild. Farbrausch pur. Immer wieder Abstand nehmen zum Bild/Porträt, einen Dialog eingehen: was braucht es noch, welche Partien müssen übermalt werden, welche gefallen bereits? Distanz nehmen, betrachten, abwägen und reagieren im Wechsel gehört zu einem aktiven Malprozess. Auch im Unterricht ist es uns gelungen, ganz einzutauchen, in einen Austausch zu kommen. Es ergibt sich etwas wie Atelieratmosphäre, eine kleine „Insel“ im Schulalltag.

Wichtig bei allen Methoden ist auch die Bereitschaft zum Querdenken, zum Andersdenken, zum Durchbrechen von Regeln, um Andersartigkeit und die Breite der Möglichkeiten in einem künstlerischen Prozess zu erkennen und aufzugreifen. Sammeln, suchen, finden, ausprobieren, testen, verwerfen, dazutun, wegnehmen, vereinfachen, überlagern, reduzieren…Man tut, was man denkt. Die Bereitschaft wird geweckt, sich auf das Neue und Andersartige, das auf dem Bild Geschaffene mit achtsamer Sinnfähigkeit einzulassen. Achtsamkeit, Konzentration, Geduld und Einfühlungsvermögen müssen geübt werden, erst dann kann sich Vertrauen in die eigene Gestaltungs- und Umgestaltungskraft entwickeln.

Hier einige Impressionen: