Die Eselfreunde des Kindergartens

Ein Beitrag von Gudrun Gayer (Erzieherin im Waldorfkindergarten Schwäbisch Gmünd)

Donnerstags ziehe ich mit einigen Kindern unterschiedlichen Alters, den »Eselfreunden«, während der Freispielzeit zu Sofie und Paul, den Eseln, hoch. Wir treffen uns in der Garderobe, ziehen uns für die Stallarbeit an und nehmen unsere eigens dafür bestickte Tasche mit den schönen, kleinen, bunten Striegeln mit.

Oft hören uns schon auf dem Weg die Esel und rufen uns mit ihrem unvergleichlichen »JA« zu. Die Kinder springen dann zum Stall hoch und begrüßen ihrerseits die Esel. Schon bevor wir in den Stall gehen, teilen die Kinder mir freudig mit, welche Tätigkeit sie verrichten möchten. Dann wird den Eseln das Stallhalfter angelegt, sie werden angebunden, bekommen etwas zum Fressen in ihren Trog und nun geht es auch schon an die Arbeit.

Zu Beginn dieser schönen Ausflüge habe ich die verschiedenen Tätigkeiten gut, langsam und deutlich vorgemacht, die Kinder haben sie nachgeahmt und bringen es den immer wieder neu hinzukommenden Kindern bei. So entsteht ohne viele Erklärungen immer wieder ein emsiges, freudiges Schaffen.

Nach nun zwei Jahren geht es somit fast wie von selbst. Es wird der Stall gesäubert: Dabei fahren die großen Kinder schon die große Schubkarre und sammeln die »Eseläpfel« mit der großen Gabel auf, die kleineren Kinder haben kleineres Stallbesteck und dann gibt es Kinder, welche es viel praktischer finden, mit den Händen aufzuklauben - unermüdlich sind sie mit Handschuhen und Eimer dabei und sammeln auf diese Weise tatsächlich einige Eimer voll! Bei allen Methoden achten wir darauf, Stroh zu sparen und den Kompost sauber zu hinterlassen. Hierbei gilt auch das Prinzip: Vorbild und Nachahmung. Andere Kinder fegen vor dem Trog und vor dem Tor.

In der Zwischenzeit werden die Esel gestriegelt. Die Kinder suchen sich einen Striegel in ihrer Lieblingsfarbe aus und massieren zunächst in kreisenden Bewegungen die Tiere von vorne nach hinten. Es ist unglaublich, aber dabei sind die Dreijährigen auch schon selbstständig am Werk, sie haben es von den Größeren gelernt. Die Freude ist groß, wenn sich viele Eselhaare in ihren Striegeln finden und die Kinder denken sich aus, was man aus diesen alles herstellen könnte. Sie sind dabei sehr kreativ, z.B. könnten die Haare der Hofgruppe geschenkt werden, man könnte einen Pullover daraus stricken, ein Kissen füllen, usw. Geduldig stehen Paul und Sofie da, lassen alles geschehen und manchmal sieht man es ihnen sogar an, wie sie das Striegeln genießen: Sie vergessen darüber dann sogar das Fressen und strecken ihren Hals zur wohlverdienten Massage hin. Zum Begreifen und Erfühlen lasse ich hin und wieder den Kindern eine solche kurze Massage zukommen. Mit der weichen Bürste wird zum Abschluss das Fell in eine Richtung gebürstet. Die Kinder rufen mich stolz, wie schön und glänzend ihr Eselchen doch jetzt dasteht.

Ein mutiges Kind darf noch unter meiner Aufsicht die Hufe auskratzen. Das ist richtig schwer und anstrengend und nicht immer versteht der Esel auf Anhieb, was das Kind von ihm möchte. Das Kind gibt aber nicht auf, guten Mutes drückt es entschlossen den Esel mit seiner Schulter auf die andere Seite, bis dieser nachgibt und seinen Huf säubern lässt. Es schaut mich dann ein glückliches, stolzes und zufriedenes Kind an und mit einem Lächeln, fast bis hinter beide Ohren: »Puuhh, da habe ich mich aber wieder gut durchgesetzt!«.

Wenn es viel Arbeit gibt und es den Kindern zu lange wird, dann dürfen sie natürlich auch spielen. Und was spielen sie? Esel! Sie binden sich z.B. mit Seilen an den Zaun, bekommen Futter, werden ausgekratzt und gestriegelt. Dies ist auch bezeichnend für dieses Alter - die Kinder schauen und verarbeiten das Geschaute im Spiel. Rudolf Steiner verwendete zu solchen Abläufen auch den Begriff »Schau-Spieler«.

Ist alle Arbeit getan, darf jedes Kind noch kurz auf den Paul aufsitzen. Mutige Kinder legen sich schon nach hinten, ganz locker, schließen die Augen und verweilen so ein bisschen. Kürzlich fragte ich ganz leise: »Spürst Du, wie der Paul atmet?«,worauf das Kind mir spontan antwortete: »Ha, wie ein ganz normaler Mensch halt.« Dann dürfen sie sich nach vorne legen, etwas kuscheln und streicheln und sich bei Paul bedanken.

Diese tiergestützte Pädagogik ist von hohem Wert. Ich durfte dabei schon viele positive Erfahrungen machen.

  • Begegnungsängste werden abgebaut.
  • Selbstvertrauen wird gestärkt.
  • Die Sinne werden gepflegt.
  • Achtung vor dem Lebewesen wird gefördert.
  • Der Jahreslauf wird noch mal auf eine andere Art erlebt.
  • Die Kinderlernen Verantwortung zu übernehmen. Sie spüren das Gebraucht-Werden.
  • Es ist echtes Erleben für die Kinder (im Gegensatz zur »guten« Tiersendung im Fernseher).
  • Kurzum: Es macht Spaß und ist etwas ganz Besonderes.

Ich möchte mich sehr herzlich bei Herrn Boxriker, bei der Schule, bei den vielen Helfern, die die Eselarbeit zu allen Schul-, Ferien-und Wochenendzeiten unterstützen und bei meiner Kollegin bedanken - ohne diese gute Kooperation wäre dieses Erlebnis nicht möglich!

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